Derzeit befinde ich mich in diesem unangenehmen Loch zwischen zwei Großprojekten: der umfassende Rewrite des zweiten Teils meiner Fantasy-Trilogie ist abgeschlossen, es ist aber noch zu früh, mein Projekt für den NaNoWriMo anzugehen. Da bin ich konsequent – es ist mein NaNo-Projekt, ich werde erst am 1. November anfangen, zu schreiben. Bis dahin sind es noch ein paar Wochen hin. Zu wenig Zeit, um ein anderes, größeres Projekt anzugehen. Zu viel Zeit, um gar nicht zu schreiben.
Gar nicht zu schreiben? Was für eine schreckliche Vorstellung!
Also habe ich mir vorgenommen, mich den Kurzgeschichten zu widmen. Eine Kurzgeschichte pro Woche. Ausschreibungen für Anthologien gibt es schließlich immer!
Natürlich könnte ich auch „freie“ Kurzgeschichten ohne Themenvorgabe schreiben. Sicherlich werde ich das auch machen, die Zeit bis November zieht sich bestimmt wie Kaugummi. Aber Kurzgeschichten für Ausschreibungen haben mehrere große Vorteile.
- Das Thema ist vorgegeben. Man hat also zumindest einen Anhaltspunkt, worüber man schreiben soll, statt Löcher in die Luft zu starren und sich zu fragen, wo eigentlich die ganze Kreativität hin ist.
- Es gibt eine Deadline – zumindest für mich ist das wirklich hilfreich, damit ich das Projekt nicht ewig vor mir her schiebe.
- Mit etwas Glück winkt die Veröffentlichung in einer Anthologie!
Thema und Umfang sind meistens vorgegeben, oft sogar ziemlich exakt. 20.000 Zeichen, zum Beispiel. Das klingt erstmal sehr abstrakt, davon muss man erstmal eine Vorstellung bekommen. Angaben in Wortzahlen sind einfacher. Ich habe sogar mal eine Ausschreibung gesehen, bei der der gewünschte Umfang in Normseiten angegeben war!
Die Themen bestehen manchmal aus ganzen Sätzen, manchmal nur aus Schlagwörtern. Oft sind es Themen, zu denen ich ohne die Ausschreibung überhaupt nicht schreiben würde – weil mir die Idee gar nicht käme! So viel zur ungezügelten Kreativität.
Es ist nicht unbedingt einfach, eine Kurzgeschichte aus dem Ärmel zu schütteln – zu einem ganz bestimmten Thema, mit einem ganz bestimmten Umfang. Aber es ist eine grandiose Übung. Indem man gezwungen ist, genaue Vorgaben zu erfüllen, befasst man sich automatisch viel intensiver mit der Geschichte. Man muss darauf achten, nicht zu viel zu schreiben, nicht zu ausschweifend zu werden, die Handlung und auch die Dialoge schnell und genau auf den Punkt zu bringen. Spannung muss aufgebaut werden, und zwar stetig, schnell und nicht über zehn Seiten hinweg, sondern über wenige Absätze. Eine Kurzgeschichte braucht einen Spannungsbogen, und der ist in 20.000 Zeichen gar nicht so einfach hineinzupressen. Sich dieser Herausforderung zu stellen, schult das Auge für Überflüssiges, sensibilisiert das eigene Gefühl für Spannung und den Umfang einer geplanten Handlung – und macht Spaß!
Inspiration zu Themen, die mir zwar gefallen, bei denen aber nicht sofort eine Idee aus dem Unterbewusstsein hochploppt, hole ich mir gern aus dem Internet und der Musik. Manchmal enden als harmlose kleine Recherche-Ausflüge geplante Besuche auf Wikipedia in einem endlosen Marathon, bei dem ich mich von Seite zu Seite klicke. Es gibt aber auch so viele spannende Sachen auf dieser Welt! Meistens habe ich hinterher wenigstens eine grobe Idee, was ich in die nächste Kurzgeschichte schreiben will, und mindestens drei andere Ideen zu anderen Themen. Ganz zu schweigen davon, dass man immer etwas dazulernt. Ist schon spannend, wie man von Sukkuben über Hexensalben und Wechselbälger zur polnischen Mittagsfrau und dem guten alten Rädern kommt…
Ansonsten gibt es für mich ein entscheidendes Kriterium: wenn ich die Kurzgeschichte in einem Rutsch runterschreibe, ist sie gut. Wenn ich mehrere Tage daran sitze, taugt sie in der Regel nichts. Natürlich wird immer nochmal überarbeitet, aber die Rohfassung muss innerhalb eines Tages entstehen.
Wie haltet ihr das?