Wie oft wascht ihr euch die Haare?
Eine ganz normale Frage, mit deren Beantwortung man sich durchaus mal beschäftigen kann. In meiner Teenager-Zeit habe ich meine Haare täglich gewaschen. Wirklich jeden Tag. Zu groß war die Angst vor fettigen Strähnen, wegen denen man mich hätte aufziehen können. Dann gab es noch unzählige Kuren, die gegen Spliss helfen sollten, und bei meinen dicken, widerspenstigen Haaren brauchte ich auch unbedingt Spülungen zur besseren Kämmbarkeit. Ich hatte locker vier verschiedene Plastikdosen und –tuben im Bad und war überzeugt, diese auch zu brauchen.
Heute habe ich immer noch dicke, widerspenstige Haare, die in aller Regel machen, was sie wollen. Aber ich wasche sie nur noch alle paar Tage – einmal pro Woche reicht oft aus. Wie das möglich ist?
Durch den Verzicht auf Shampoo.
Klingt erstmal bizarr, ist aber wahr. Shampoos entfernen die natürliche Talgschicht auf der Kopfhaut, und zwar sehr gründlich. Deswegen reizen einige Shampoos die Kopfhaut auch, können zu Ausschlägen, Schuppen und trockener, juckender Haut führen. Je öfter man seine Talgschicht wegschrubbt, desto schneller trocknet die Haut aus. Die Reaktion des Körpers besteht darin, so schnell wie möglich Talg nachzuproduzieren – das wiederum äußert sich in fettigen Haaren, wegen denen wir schnell wieder zum Shampoo greifen, und der Kreislauf beginnt erneut.
Außerdem kosten Shampoos viel Geld – für 300ml kann man sich je nach Anbieter und Inhaltsstoffen dumm und dämlich zahlen – und sind in Plastik verpackt. Dass die Menschheit viel zu viel Plastikmüll produziert, ist nun wirklich nichts Neues.
Der Verzicht auf Shampoo wird im Internet No-Poo genannt, eine Bezeichnung, die mich persönlich eher an den Verzicht auf Ausscheidungen denken lässt und die ich deswegen nur der Vollständigkeit halber erwähne – einmal und danach nie wieder.
Wie funktioniert die Haarpflege ohne Shampoo?
Das Internet ist voll von Alternativen. Haarseife, Naturseife, Kaffeepulver, Lavaerde, Natron, Roggenmehl… Die Liste ließe sich sehr lange fortführen, und ich kann nur jedem raten, einfach mal zu probieren. Was soll schon schiefgehen? Im schlimmsten Fall muss man sich eben Kaffeepulver aus den Haaren shampoonieren.
Ich habe auch probiert und bin gleich beim ersten Versuch geblieben: Haarwäsche mit Roggenmehl.
Roggenmehl enthält Vitamine, ist für empfindliche Haut geeignet, reinigt Haar und Kopfhaut durch die enthaltene Stärke, ist einfach und angenehm in der Anwendung und kostet pro Kilo nicht mal zwei Euro. Außerdem kommt es in einer Papierverpackung daher und Brot kann ich auch noch damit backen. Was will man mehr?

Zur Haarwäsche mit Roggenmehl braucht es nicht viel. Zwei Esslöffel Mehl werden mit ca. 100ml Wasser vermischt, oder eben so viel Wasser, wie man für die gewünschte Konsistenz benötigt. Ich gebe noch ein paar Tropfen Rosenöl dazu, damit die Mischung mehr nach Körperpflege und weniger nach Sauerteig riecht, das ist aber optional. Dann lässt man das Ganze zwei bis drei Stunden stehen, damit das Mehl quellen kann und die enthaltene Stärke freigesetzt wird. Ins feuchte Haar einmassieren, fünf Minuten einwirken lassen, gründlich ausspülen und fertig!
Feines Mehl lässt sich besser aus den Haaren spülen, für mich persönlich fühlt sich Vollkornmehl auf der Kopfhaut am angenehmsten an – das muss man einfach ausprobieren. Mehlreste in den Haaren lassen sich, sobald sie trocken sind, ganz einfach ausbürsten oder ausschütteln.
Und was habe ich davon?
Es ist wirklich supereinfach, spart Plastik und Geld und sobald Kopfhaut und Haare sich daran gewöhnt haben, genügt es, die Haare wöchentlich zu waschen. Für die tägliche Körperpflege kann man die Haare mit klarem Wasser ausspülen oder auch darauf verzichten. Talg und Dreck wird zuverlässig entfernt, die Haare fetten nicht so schnell nach und sehen gesund und voll aus. Außerdem weiß man genau, was drin ist – nämlich Mehl und Wasser. Keine Tenside, keine Silikone, kein Mikroplastik und keine künstlichen Duftstoffe. Ich habe, seit ich mit Roggenmehl wasche, auch keine Probleme mehr mit juckender Kopfhaut.
Zu Beginn war meine größte Sorge, dass das Mehl meine Haare austrocknen oder meinen Abfluss verstopfen könnte – bisher ist weder das eine noch das andere passiert.
Also alles ganz leicht?
Ja und Nein. An Shampoo gewöhnte Haare brauchen eine gewisse Zeit, sich umzustellen, schließlich wurde bisher jeden Tag der Talg vom Kopf geschrubbt und musste jeden Tag ersetzt werden. Das bedeutet leider, dass in der Übergangsphase, die mehrere Wochen dauern kann, zu viel Talk produziert wird, weil der Körper es nicht mehr anders kennt. Fettige, schwere, schlecht kämmbare Haare sind das Resultat, aber ich kann euch beruhigen: das geht vorbei! Gerade jetzt, wo man ohnehin nichts unternehmen kann und sollte, wäre doch die ideale Zeit, sich dem auszusetzen – für gesündere Haare und weniger Plastik!
Was ist denn mit Spülungen? Gibt’s da auch Alternativen zu?
Na klar! Die bekannteste Methode dürfte die Apfelessig-Spülung sein. Der Name ist Programm. Ich selber habe mich nie daran gewagt, denn während ich sicher bin, dass der Geruch schnell verfliegt, weiß ich auch, dass Apfelessig die Haare aufhellen kann. Nicht so sehr wie künstliche Bleichmittel, aber doch signifikant. Das kommt für mich gar nicht infrage, schließlich färbe ich meine Haare seit fast zehn Jahren schwarz und möchte nicht, dass da irgendetwas aufgehellt oder ausgebleicht wird. Ich weiß auch nicht, wie Apfelessig generell auf gefärbte Haare reagiert.
Für mich funktioniert Olivenöl sehr gut. Eine halbe Stunde vor dem Haarewaschen mit Mehl sprühe ich eine Olivenöl-Wasser-Mischung (im Verhältnis 1:1) auf die Haare, massiere sie ein und lasse sie einwirken. Das Öl enthält wertvolle Vitamine und Fette, die meine Haare schön lebendig halten, bedingt gegen Spliss wirken und sogar die Kämmbarkeit verbessern. Mit der Mehlwäsche bekomme ich das Öl auch gut wieder ausgewaschen – wofür man sonst Shampoo bräuchte, und genau das möchte ich ja vermeiden.
Für mich war die Umstellung auf Haarpflege ohne Shampoo eine große Bereicherung und hat die Qualität meiner Mähne wirklich verbessert. Wie seht ihr das? Könnt ihr euch vorstellen, auf Shampoo zu verzichten? Habt ihr vielleicht schonmal mit alternativen Produkten zur Haarpflege experimentiert? Was für Erfahrungen habt ihr damit gemacht?