Selbstfürsorge

Ich habe das erste Mal seit einem halben Jahr richtig Urlaub.

Also, ich habe jetzt nicht sechs Monate ohne Pause durchgearbeitet. Es gab freie Tage, oft drei oder vier am Stück, in der Regel nach Nachtdiensten. Ich hatte mal zwei, drei Tage hintereinander Urlaub, um meinen Geburtstag herum zum Beispiel. Aber so wie jetzt, dass ich wirklich mal drei Wochen nicht los muss… Das hatte ich lange nicht mehr.

Die letzte Arbeitswoche vor dem Urlaub war hart. Nicht härter als sonst, was die Arbeit an sich anging, aber meine Motivation betreffend war nichts mehr los. Ich habe mich von Tag zu Tag gehangelt und die Stunden gezählt. Schreiben? Lesen? Nicht die Spur. Alles in mir hat nur noch darauf gewartet, endlich richtig frei zu haben.

In den ersten vier Tagen meines Urlaubs habe ich vor allem geschlafen. Es war, als hätte mein Körper einmal tief ausgeatmet und alle Anspannung der letzten Monate fiel von mir ab, gemeinsam mit der Disziplin und Selbstbeherrschung, die mich aufrecht gehalten hat. Was sich in diesem Moment einfach nur richtig angefühlt hat, erschreckt mich im Nachhinein ein bisschen.

Und deswegen möchte ich mich heute mit einem Thema beschäftigen, das gerade in den aktuellen, aufreibenden Zeiten besonders wichtig ist: Selbstfürsorge.

Selbstfürsorge ist etwas anderes als Egoismus und lässt sich von außen doch leicht damit verwechseln. Während Egoismus jedoch vorrangig eigennütziges Handeln ohne Rücksichtnahme auf andere beschreibt, geht es bei der Selbstfürsorge um einen guten Umgang mit sich selbst. Und zwar ganz allgemein gesprochen.

Natürlich hat es etwas mit Selbstfürsorge zu tun, zuhause zu bleiben, wenn einem alle Gelenke wehtun und man sich nur noch vorwärts schleppt. (Ich gestehe: dieser Teil des guten Umgangs mit mir selber ist … nicht meine Stärke. Eine Kollegin nennt es den Florence Nightingale-Komplex, doch das ist ein anderes Thema.)

Aber es geht auch um Kleinigkeiten, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen. Das Internet ist voll von Übungen, die dem wertschätzenden Umgang mit sich selbst dienlich sind; ich möchte hier nur meine Top Three vorstellen.

Zeit für sich selbst

Es klingt banal und ist doch unglaublich wichtig. Man hetzt so oft nur von Termin zu Termin, von Aufgabe zu Aufgabe, ist so oft nur für andere da – das ist anstrengend, das stresst und Stress macht krank, körperlich wie psychisch. Um dem entgegenzuwirken, ist es extrem wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Das kann ein Spaziergang sein, oder ein heißes Bad, oder eine halbe Stunde auf dem Sofa mit einem guten Buch, was immer einem gut tut. Wichtig ist nur, dass man es auch macht, und zwar regelmäßig. Am besten plant man so was richtig fest in den eigenen Terminplan ein, schließlich ist es ein echter Termin, und zwar ein wichtiger! Man tut sich selbst etwas Gutes.

Nein sagen

Ja, in dieser Hinsicht sollte ich vielleicht keine zu großen Töne spucken. Wenn die Frage kommt, wer diesen oder jenen Dienst einspringen kann, bin ich nicht unbedingt unter den ersten, die den Kopf schütteln… Aber ich habe mittlerweile gelernt, nur dann einzuspringen, wenn ich es auch wirklich einrichten kann. Wenn ich schon auf dem Zahnfleisch gehe und dann noch einen Dienst dranhängen soll, sage ich mittlerweile auch nein, denn am Ende hat da niemand was von. Ja, sicher, dieser eine Dienst ist abgedeckt, aber ich werde hinterher erschöpfter sein, mich nicht so gut erholen können, vielleicht krank werden und längerfristig ausfallen. Ist auch keinem mit geholfen.

Nein-sagen ist keine Schande. Nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld! Wenn es einfach gerade zu viel ist, ist das nicht verwerflich. Am besten kommuniziert man dann, dass man sich überfordert fühlt, dass man es wirklich nicht schafft, auch noch Kartoffelsalat für’s Grillen zu machen oder beim Umzug zu helfen, und in der Regel wird man auf Verständnis stoßen.

Warum fällt es vielen dann so schwer, Nein zu sagen?
Weil wir soziale Wesen sind, die gefallen wollen. Klingt das nach der Beschreibung eines Hundes? Ja. Aber es trifft auch auf Menschen zu. Wir wünschen uns Anerkennung und Lob, wir wollen, dass die anderen mit uns zufrieden sind, wir haben Angst, egoistisch zu wirken, wenn wir gewisse zusätzliche Aufgaben nicht erfüllen. Das ist nachvollziehbar, aber in aller Regel unbegründet.

Mein Mann liebt mich nicht weniger, wenn ich es nicht schaffe, die Wäsche abzuhängen. Meine Eltern lieben mich nicht weniger, wenn ich zum Kaffeetrinken bei ihnen in Jogginghose aufschlage, weil’s bequem ist und ich keine Zeit/Lust hatte, mich „hübsch“ zu machen. Meine Freunde werden mich nicht im Stich lassen, weil ich eine Party ausfallen lasse (die man ja momentan eh nicht feiern darf) und stattdessen einen Abend zuhause vorziehe. Meine Kolleginnen und meine Chefin danken es mir nicht, wenn ich arbeite wie eine Blöde und dann irgendwann umkippe – und der Betrieb, für den ich arbeite, schon dreimal nicht.

Das sind alles Dinge, die ganz logisch klingen und die emotional dennoch schwer zu begreifen sind. Aber wenn man sich diese kleinen Erkenntnisse immer mal wieder vor Augen führt, entspannt es das eigene Leben doch ganz erheblich.

Positive Grundeinstellung

Klingt leicht? Ist es aber nicht. Die Welt ist voller Idioten, mit denen man sich ständig herumschlagen muss, voller kleinerer und größerer Katastrophen und voller Bösartigkeit. Wie soll man da noch positiv denken?

Ich gebe zu, das ist nicht einfach. An manchen Tagen hat man das Gefühl, alles habe sich gegen einen verschworen. Dann läuft alles schief, alle sind blöd und dass man ausgerechnet dann an der längsten Schlange an der Supermarkt-Kasse steht, ist ja wohl klar. Wie soll man sich da eine positive Grundeinstellung bewahren?

Es ist Übungssache. Man kann es trainieren. Und es beginnt damit, auf die kleinen, schönen Dinge zu achten. Ja, okay, es regnet und ich habe keinen Schirm dabei – aber hey, die Luft riecht wundervoll sauber und lebendig! Verflixt, der Handyakku ist alle – aber brauche ich das Smartphone gerade wirklich oder können Fotos vom Essen anderer Leute vielleicht auch warten und ich achte mal darauf, was ich jetzt gerade selber mache? Diese dämliche Radfahrerin checkt es nicht mit dem Rechtsverkehr und radelt fast in mich rein – ja, ist blöd, aber vielleicht ist sie in Eile, und so, wie sie geguckt hat, hat sie sich auch ordentlich verjagt und achtet in Zukunft wieder mehr darauf, wo sie hinfährt.

Gelassenheit und Positivität gehen oft Hand in Hand. Wenn man sich Zeit nimmt – nur mal ein paar Minuten am Tag! – auf das Schöne im Leben zu achten, und aufhört, anderen Menschen automatisch bösen Willen zu unterstellen, ist das schon ein großer Schritt zu einer positiven Grundhaltung.

Natürlich heißt das nicht, dass man sich nicht auch mal so richtig aufregen darf. Manche Menschen sind einfach zu blöde, um sie entspannt hinzunehmen. Manche Zufälle sind so unfassbar unglücklich, dass man sie sich nicht schönreden kann. Schimpfen ist wichtig – man muss nur auch wieder damit aufhören können.

Selbstfürsorge ist also Übungssache. Das geht alles nicht von heute auf morgen, und man muss es schon wollen. Aber am Ende profitiert man doch ganz erheblich davon, wenn man etwas besser zu sich selbst ist. Schließlich haben wir nur dieses eine Leben, und es bringt uns nichts, also rein gar nichts, wenn wir die Zeit, die uns gegeben ist, damit verbringen, uns für andere zu verbiegen. Wenn es mir mit mir selber gut geht, bin ich auch eher in der Lage, gut zu anderen zu sein.

Wie steht ihr zur Selbstfürsorge? Hat so was in eurem Leben Platz? Tut ihr vielleicht sogar aktiv etwas, um freundlicher zu euch selbst zu sein?

2 Gedanken zu “Selbstfürsorge

  1. Pingback: Lesen im Alltag – Kreativ Leben

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