Discovery Writing: Schreiben als Abenteuer

Normalerweise beginne ich meine Geschichten am Anfang und beende sie am Ende. Ich mache mir vorher Gedanken und Notizen, und wenn ich anfange, zu schreiben, weiß ich, wo ich hinkommen will. Ich kenne Protagonist*innen und Antagonist*innen, weiß ungefähr, welche Konflikte mich erwarten, und kann einschätzen, was auf mich zukommt. Wenn es an einer Szene hakt, dann hänge ich eben fest, bis ich den Knoten gelöst habe, und wenn ich auf eine Szene keine Lust habe, schreibe ich sie trotzdem, quäle mich hindurch, bis ich wieder in angenehmere Gefilde komme.

Ich würde mich nicht als Plotterin bezeichnen, das nicht. Dazu fehlt es mir an Disziplin, und ich lasse gern Raum für unerwartete Wendungen und Ereignisse. Es genügt mir, Anfang, Ende und ein paar Zwischenetappen zu kennen, der Weg von A nach B ergibt sich dann schon. Aber einen groben Plan habe ich schon ganz gern.

Seit einiger Zeit schreibe ich jedoch an einem Projekt, das ganz anders ist. Discovery Writing. Pantsen. Wie immer man es bezeichnen will – für mich ist es ein großes Abenteuer.

Zuerstmal habe ich keine Ahnung, was genau passiert. Ich schreibe einfach drauflos. Schon jetzt, nach ein paar Monaten und immerhin 50000 Wörtern, zeichnet sich ab, dass das alles ein ziemliches Kuddelmuddel wird. Aber es macht Spaß, und darum geht es mir dabei vorrangig.

Was dieses Projekt aber so besonders (für mich) macht, ist, dass ich es nicht chronologisch schreibe. Ich nehme mir immer die Szene vor, auf die ich jetzt gerade Lust habe, ganz egal, ob ich Teile davor oder danach schon geschrieben habe. Ich kenne den harten Kern meiner Charaktere, und damit hat sich das. Plot? Nicht die Spur!

Diese Art zu Schreiben ist gleichzeitig sehr intensiv und sehr aufreibend. Es gibt eindeutige Vorteile:

  • Dadurch, dass ich keinen Plan habe, ist nichts undenkbar. Wenn mir eine Szene gefällt, schreibe ich sie, ohne darüber nachzugrübeln, ob sie ins allgemeine Setting passt.
  • Kein Hängenbleiben an anstrengenden Passagen! Ich springe einfach zu einem anderen Punkt in der Geschichte, der mir gerade mehr Spaß macht.
  • Ich entdecke alle Nasen lang etwas Neues. An meinen Charakteren, in der Welt, ich laufe praktisch mit großen Augen durch die Geschichte und staune selber, was mir dort begegnet.
  • Nichts ist nicht in starre, vorgeplante Strukturen gepresst. Charaktere und Welt können sich ganz frei entfalten.
  • Ich fühle mich nicht schlecht, wenn ich mal einen Tag nichts schreibe.
  • Es ist einfach, dieses Projekt nicht zu ernst zu nehmen, weil ich durch das Discovery Writing so entspannt herangehe.
  • Keine Idee ist hier zu aberwitzig – gibt ja keinen Plot, von dem sie abweichen könnte. Außerdem fällt es mir leichter, mit unvorhergesehenen Plotwendungen umzugehen.

Das ist schon wirklich spannend und ich bin sehr neugierig, was mich noch so erwarten wird.

Aber natürlich ist nichts nur eitel Sonnenschein. Es gibt auch Nachteile, und die sind (zumindest in meinen Augen) ziemlich gravierend:

  • Es ist ein einziges großes Chaos. Ich habe keine Ahnung, was genau noch passieren soll, und schreibe so vage drauflos – die Überarbeitung wird eines Tages die Hölle werden.
  • Dadurch, dass ich das Projekt nicht so ernst nehme, fehlt mir auch die Disziplin. Ich schreibe weniger, als wenn ich einen Plan habe, an dem ich mich entlanghangeln kann.
  • Nach mehreren Monaten und 50000 Wörtern weiß ich immer noch nicht, was der Grundkonflikt ist, und langsam nervt mich das.
  • Außerdem kann ich unmöglich abschätzen, wie lang das Werk irgendwann mal sein wird, und diese schiere Unmöglichkeit ist beängstigend.

Da ich keine Deadlines oder dergleichen habe und derzeit auch nichts anderes zu tun, werde ich mein Discovery Writing-Projekt vorerst weiter verfolgen. Außerdem genieße ich die Welt und all das Neue, das ich darin entdecke, wirklich sehr. Vielleicht gelingt es mir ja, noch ein bisschen Zielstrebigkeit hineinzubringen, und dann komme ich auch voran.

Generell werde ich für zukünftige Projekte aber doch wieder auf meine bewährte Methode mit dem Notizbuch und dem vagen Fahrplan zurückgreifen.

Wie schreibt ihr? Chronologisch oder durcheinander? Mit ausgefeiltem Plot oder einfach drauflos? Wie sind eure Erfahrungen mit Plotten und Pantsen?

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