Ich habe mich hier schonmal darüber ausgelassen, wie wichtig es ist, die eigenen Sachen von anderen Leuten lesen zu lassen. Nur so erfährt man schließlich, was gut ist und was weniger gut, woran man noch arbeiten muss und worauf man schon stolz sein kann.

Selber lebe ich nur halbwegs danach. Bis heute bekomme ich dezente Panik, wenn jemand lesen möchte, was ich schreibe – und das gilt nicht nur für unveröffentlichte Rohfassungen. Vor einiger Zeit hat mein Mann einer Kollegin erzählt, dass ich schreibe und eine Handvoll Kurzgeschichten veröffentlicht habe. Natürlich wollte sie die dann auch lesen, also hat er ihr die Anthologien schlichtweg mitgebracht.
Meine logische Reaktion? Ein nervöses Bauchgefühl und der Wunsch, mich irgendwo zu verkriechen. Warum nur? Das sind Geschichten, die sozusagen offiziell für gut befunden wurden. Ich habe keinen Grund, sie zu verstecken. Dennoch verunsichert es mich total, meine Geschichten herzuzeigen. Viele andere Schreibende, die ich kenne, fühlen sich ähnlich.
Und das ist sehr schade. Wir erschaffen ganze Welten. Wir stecken so viel Liebe und Herzblut und Zeit in unsere Geschichten, so viele Gedanken und Überlegungen. Wir stellen gesellschaftliche Vielfalt dar, thematisieren wichtige Dinge und befassen uns mit den großen Fragen des Daseins. Und dann tun wir so, als sei das nichts wert? Als müssten wir uns dafür verstecken? Das ist sehr schade und wird der harten Arbeit, die wir in unsere Geschichten stecken, nicht gerecht.
Mit jedem Mal, dass man seine Projekte lesen lässt, wird es ein bisschen leichter. Mit jeder positiven Rückmeldung wächst das eigene Selbstbewusstsein, obwohl die Zweifel wohl nie verschwinden. Und das ist auch gut so, schließlich möchte ich mein Bestes geben und nicht halbherzig irgendwas raushauen. Aber ich möchte lernen, mit diesen Zweifeln vernünftig umzugehen, und das geht nur, indem ich andere Leute auf meine Projekte schauen lasse. Ausschnittweise, erstmal, und auch nur ausgewählte Menschen. Aber das ist ein Anfang, oder?
Die Kollegin meines Mannes hat mir übrigens eine große Schachtel Pralinen geschenkt und eine selbstgemachte Karte, in der sie einzeln auf fast jede Geschichte eingeht und sagt, was ihr gefallen hat. Nehmt das, Selbstzweifel!

Wie geht ihr damit um, wenn andere eure Projekte lesen möchten? Fällt es euch leicht, eure Sachen aus der Hand zu geben, oder nicht?